Venustransit 2004,
Parallaxenmessung mit Hilfe der Sonnengranulation


Edmund Halley verpflichtete im Jahre 1716 die nachfolgenden Generationen zur intensiven Beobachtung des Venustransits von 1761, um die damals noch unklare Größe der Astronomischen Einheit genauer zu bestimmen.
Halley war klar, dass er den Transit nicht mehr erleben würde. Er starb 1742.
In einer Zeit in der Politik und Wirtschaft oft nur noch in Wahlperioden und Quartalsberichten denken, hat Halley damaliger Aufruf etwas, das eigentümlich berührt. Dies ist vielleicht einer der Gründe warum sich im Jahre 2004 Tausende von Beobachtern an der Wiederholung der klassischen Messung beteiligt haben. Halley hatte damals vorgeschlagen, die Transitdauer an zwei weit entfernt liegenden Punkten zu ermitteln und daraus die Sonnenparallaxe zu bestimmen. Dies setzt voraus, dass vom Beobachtungsort der Transit komplett gesehen werden kann. Das ist jedoch leider nicht immer gewährleistet. Darum wurde die von Halley vorgeschlagene Methode in späteren Jahren um einige Varianten erweitert. Joseph-Nicolas Delisle hatte die Idee, dass sich allein schon mit der Bestimmung der exakten Kontaktzeiten beim Ein- oder Austritt die Parallaxe errechnen läßt.

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Die obere Aufnahme vergleicht eine eigenes Bild des Engres mit einer zeitgleich auf La Palma entstandenen Aufnahme. Es ist ein deutlicher Versatz von etwa 1/10 Venusdurchmesser zu erkennen.

Prinzipiell ist auch jeder andere Zeitpunkt des Transits zur Bestimmung der astronomischen Einheit geeignet, sofern es einen Bezugspunkt gibt und der Aufnahmezeit identisch ist. Als Bezugspunkt bieten sich neben dem Sonnenrand auch Sonnenflecken an. Allerdings weiß man im Vorfeld nie, ob sich während des Transits in Venusnähe Flecken befinden werden. Eine internationale Koordination wird dadurch schwierig. Zudem streifte die Venus in den letzten Jahrhunderten stets den Nord- oder Südrand der Sonne. In hohen Breiten sind jedoch nur selten Flecken zu erwarten.
Während des Transits am 8.6.2004 waren nur in Scheibenmitte ein paar winzige Sonnenflecken zu finden. Trotzdem gelang es Daniel Fischer und Paul Hombach mit Hilfe mehrerer Aufnahmen aus Deutschland und Südafrika die AE über die Sonnenflecken auf +-10% einzugrenzen (http://www.geocities.com/skyreports/2004/venus.html). Neben den Flecken wäre auch die Granulation als Referenzstruktur geeignet. Allerdings ist sie mit analoger Technik schwierig zu fotografieren. Mit den heute weit verbreiteten Webcams ist dies jedoch auch schon mit mittleren Amateurgeräten möglich, sofern das Seeing ausreichend ist. Am 8.6.2004 war das Seeing in den ersten Stunden recht brauchbar. Etwa 30 km südwestlich von München gelangen mit einem 5 Zoll Refraktor um 8:00 UT und 8:30 UT zwei gute Granulationsaufnahmen. Die Sonne stand dabei etwa 40 Grad über dem Osthorizont. Eine vergleichbare Horizonthöhe gab es zu dieser Zeit in Ostasien. Per Internetrecherche fanden sich in Japan, China und auf den Philippinen etwa ein Dutzend Amateure die erfolgreich den Transit beobachtet hatten. Sie wurden gebeten, über die lokalen Astro-News-Groups nach zeitgleichen Aufnahmen zu suchen. Leider war die Resonanz zunächst gering. Möglicherweise ist die Liebesgöttin ´Venus´ bei einigen Mail-Filtern spamsensitiv. Am Ende fand sich ein passendes Bild aus Hongkong. Dort hatte Herr Wah! die Granulation zur selben Zeit mit einem C8 fotografiert. Zufällig wurde in China und Deutschland die gleiche Webcam verwendet und in beiden Fällen eine Barlow eingesetzt. Wegen der unterschiedlichen Primärbrennweite ergab sich dennoch ein unterschiedlicher Abbildungsmaßstab. Über den Durchmesser der Venusscheibe ließen sich die Bilder jedoch problemlos skalieren. Der Vergleich war nicht einfach. Auf dem Chip liegender Dreck führte zu einigen Irritationen. Erst bei einer genauen Untersuchung zeigten sich die schwachen Oberflächenfeatures.

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Einige Oberflächenstrukturen sind auf dem oberen Bild markiert. Das Animated-Gif verdeutlicht besser die Gemeinsamkeiten. Durch das Blinken sind die Strukturen wesentlich besser zu erkennen.

Zur Auswertung wurden die Aufnahmen über mehrere Referenzpunkte aufeinander transformiert und gemittelt. Danach wurden jeweils die Mittelpunkte der beiden Venusscheiben bestimmt und der Abstand gemessen. Das Verfahren wurde mit verschiedenen Referenzpunkten mehrfach wiederholt. Theoretisch kann mit dieser astrometrischen Technik Subbogensekundengenauigkeit erreicht werden.

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Zur Messung wurden die Aufnahmen aus Hongkong und München überlagert

In der Praxis gab es bei der Messung einige Hürden. So gab es einen möglichen Zeitfehler von +-5 Sekunden. Dem entspricht eine Venusbewegung von 0,3 Bogensekunden. Desweiteren ist auch ein Positionsmessfehler von 0,3 Bogensekunden nicht ganz auszuschließen. Zusammen sind dies 0,6 Bogensekunden. Dies entspricht einem Fehlerbalken von +-2%. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass nur eine Messung mit 2 Messpunkten verwendet wurde. Beim Transit von 1769 gab es trotz 150 Messungen von 80 Standorten eine Abweichung von ebenfalls 2%.

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Schon kleine Zeitdifferenzen können zu messbaren Abweichungen führen. Zwischen den beiden Aufnahmen des Animated-Gif lagen weniger als 40 Sekunden. Trotzdem ist eine klare Positionsänderung zu erkennen.

Ein weiteres Problem war ein geeigneter Maßstab. Dazu wurde zunächst die Venusscheibe verwendet. Durch Seeing, Schärfung und Kontrastanpassung ist die Scheibe als Referenz jedoch weniger geeignet. Um diese Fehlerquelle auszuschalten wurden mit dem Venus-Equipment einige Doppelsterne fotografiert. Beim Vergleich zeigte sich, das der Durchmesser um 3% korrigiert werden musste.

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Als Maßstab ist oben rechts der Doppelstern Albireo zu sehen.

Am Ende konnte der Abstand der beiden Venusscheiben mit 28,1 Bogensekunden ermittelt werden. Mit sphärischer Geometrie wurde die effektive Basisstrecke zwischen München und Hongkong zu 8300 km errechnet.

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Der Anblick der Erde am 8.6.04 um 8:00 UT aus der Sicht der Venus. Die Distanz Hongkong-München kann man über den Erddurchmesser abschätzen.






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Zur Berechnung gibt es mehrere Lösungswege. Mit dem Strahlensatz hat auch Johannes Guetter gearbeitet. Eine sehr schöne Darstellung seiner Lösung gibt es hier
Noch einfacher als der Strahlensatz ist vielleicht die von Christian Kummer vorgeschagene Variante über die Winkelsummen. Ein PDF dazu kann hier geladen werden.



Zur Ermittlung der astronomischen Einheit wird zunächst der Abstand Venus-Sonn e in astronomischen Einheiten berechnet. Dies geschieht über die Umlaufzeit mit dem dritten Kepplerschen Gesetz

Abstand Venus-Sonne = (Dauer Venusjahr / Dauer Erdjahr)^(2/3)

Ein Erdjahr dauert 365,25 Tage. Ein Venusjahr dauert 224,7 Erdtage. Damit ergibt sich ein Wert von 0,7233.

Dann wird die Parallaxe der Sonne ermittelt. Sie entspricht dem halben Erdwinkel aus der Sicht eines Beobachters auf der Sonne.

Sonnenparallaxe = ((1 / Abstand Venus zur Sonne - 1) * Erddurchmesser * 28,1 / 8300 / 2

Bei einem Erddurchmesser von 12757 km und einem Abstand Venus-Sonne von 0,7233 beträgt die Sonnenparallaxe 8,26 Bogensekunden. Die AE kann man nun mit dem Erddurchmesser direkt aus der Sonnenparallaxe errechnen.

Astronomische Einheit = Erddurchmesser / tan (Sonnenparallaxe / 3600 * 2)

Daraus ergibt sich eine Entfernung Erde-Sonne zu 159,3 Mio Kilometern. Es ist allerdings zu bedenken, dass Erde und Venus am 8.6.2004 nahe des Aphels ihrer Bahn gestanden haben. Die Erde war tatsächlich 151,7 Mio km von der Sonne entfernt. Das reale Verhältnis des Abstands Venus-Sonne zum Abstand Erde-Sonne lag dadurch bei 0,7155. Damit läßt sich für den 8.6. eine Sonnenparallaxe von 8,587 Bogensekunden und Entfernung Sonne-Erde von 153,2 Mio km errechnen. Die Abweichung liegt jetzt nur noch bei 1,5 Mio km oder 1%. Dieser Wert kann sogar auf 0,7% gedrückt werden, wenn man berücksichtigt, dass die Projektion nicht auf den Sonnenmittelpunkt sondern auf den Sonnenrand erfolgt ist!


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Dieses Gif wurde von Herrn Wah! angefertigt. Es hat ein etwas besseres Alignment, so das die Strukturgleichheit noch besser zu erkennen ist.



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Mit einer Aufnahme des 1m Swedish Solar Telescope ließ sich ebenfalls ein Granualtionsdoppelbild erstellen.
Da der Abstand ´München-La Palma´ kleiner ist, ist auch die Parallaxe geringer. Leider gibt es zwischen den Bildern
eine Zeitdifferenz von 30 Sekunden. Das entspricht zwar nur 1/30-stel Planetendurchmesser,
trotzdem sind die Fotos, für eine detailierte Messung unbrauchbar.






Daten:

Herr Wah!
: Room 1, 9/F Bou Lee Building
145-163 Bulkeley Street,
Hung Hom, Hong Kong
Position: 114.050 oL 22.450 nB
8 Zoll SC f/10 + Barlow + Philips ToUcam 740

Bernd Gährken:
Position: 11.733 oL 47.833 nB
5 Zoll Refraktor f/8 + Barlow + Philips ToUcam 740

Distanz des Vergleichssterns Beta Cyg: 114,3 Pixel oder 34,5´´
Gemessene Distanz zwischen den Venusscheiben: 93,2 Pixel oder 28,1´´

Erddurchmesser: 12757 km
Basisdistanz München-Hongkong vertikal zur Sichlinie: 8300 km

Umlaufzeit Venus: 224,7 Erdtage
Umlaufzeit Erde: 365,25 Tage

Realer Abstand Venus-Sonnenmittelpunkt in Relation
zum Abstand Erde-Sonnenmittelpunkt: 0,7155

Realer Abstand Venus-Sonne in Relation
zum Abstand Erde-Sonne unter Berücksichtigung
des Sonnenradius am 8.6.2004: 0,7148

Aufnahmezeit: 8:00:00 bis 8:00:20 UT
Zeitfehler: max. +-5 Sekunden
Positionsmessfehler: +-0,3´´
Gesamtfehler maximal: +-0,6´´ oder +-2%


Errechneter Abstand unter Berücksichtigung des Sonnenradius und
der Aphelnähe der Planetenbahnen: 152,7 Mio km

Tatsächlicher Sonnenabstand der Erde am 8.6.2004: 151,7 Mio km
Tatsächliche Abweichung/Fehler: 1 Mio km oder 0,66 %




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