Algerienreise 2024 I - Ankunft und Überblick
Am 8. Oktober 2024 fielen gleich mehrere interessante astronomische
Ereignisse zusammen.
Der variable Sternschnuppenstrom der Draconiden sollte sich in seinem
13-Jahre hoch
befinden. Bei diesem Strom sind Ausbrüche möglich.
Das Maximum war für den 8.10. um 13 UT
vorhergesagt doch einige Berechnungen sahen die Berührung
einiger alter Dusttrails
in den Morgenstunden des Tages. Am Abend sollte sich der Mond an der
Position befinden
die Mittags die Erde einnahm. Daher waren auch Mondimpakte
möglich.
Um 21:50 UT gab es eine Sternbedeckung
durch
den Kleinplaneten 16-Psyche. Der 6 mag helle Stern
war ein leichtes Ziel. Die Dauer war auf der Zentrallinie über
30 Sekunden und der Lichtabfall lag bei 3 mag!
Schließlich sollte vom 8. auf den 9. Oktober gegen
Mitternacht auch noch Neptun einen 11 mag Stern bedecken.
Als viertes ergab sicgh durch die Sonennähe des Kometen
Tsuchinshan-Atlas noch die Möglichkeit einer Tagsichtbarkeit
Diese Kombination von 4 Top-Ereignissen
sollte in der algerischen
Wüste beobachtet werden, wo an mehr als 300 Tagen im Jahr die
Sonne scheint..... Leider war das Wetter schlecht.
In der Nacht vom 7. auf den 8. war der Himmel stark verzirrt. Es wurde
lediglich
mit einer Sony7s und einem 50mm Objektiv vom Hotelbalkon beobachtet.
Der Himmel war so aufgehellt, das im Videomodus statt der
üblichen 400.000 ASA nur etwa 40.000 ASA
genutzt werden konnten. Zudem musste die Optik um eine Stufe
abgeblendet werden. Unter diesen Bedingungen
war nur 1/20 der sonst messbaren Meteore zu erwarten. ´Zum
Glück´ gab es lt. IMO in dieser
Nacht keine erhöhte Aktivität, so dass bei den
Meteoren nicht viel verpasst wurde.
Bei der Auswertung der Sony-Videos
fand sich nur ein
Meteor.
Der gefundene Meteor war nicht mal ein Drakonid:
Tragischer war dann die Nacht vom 8. auf den 9. Wir fuhren bei
bedeckten Himmel
zum Beobachtungsplatz. Meteoblue hatte für die komplette Nacht
zu
100% hohe Wolken angesagt. Am frühen Abend sahen wir noch
gelegentlich einen
Stern durch die Cirren, doch selbst der Mond verschwand schon
während des Aufbaus
komplett in den Wolken. So saß ich dann mit einem halben
Dutzend algerischer Sternfreunde
ratlos in der Wüste. Immerhin konnten wir uns in dieser Nacht
mehrere Stunden nett unterhalten.
Die Algerische Zeit ist UT+1. Eine Sommerzeit gibt es nicht. Die
Sternbedeckung hätte
also um 22:50 lokaler Zeit stattgefunden. Um 23 Uhr bauten wir die
Geräte ab.
Laut Meteoblue bestand auch für den weiteren Verlauf der Nacht
wenig Hoffnung.
Tatsächlich war beim Abbau aber am Horizont ein erster Stern
zu sehen.
Vielleicht hat es in der 2. Nachthälfte doch noch aufgeklart.
Ob jedoch die Bedingungen für
Neptun gereicht hätten, erscheint wegen des diesigen Himmels
zweifelhaft.
200km weiter südlich war der
Himmel wolkenfrei und die dort positionierten Sternfreunde konnten die
Psyche- Sternbedeckung erfolgreich aufzeichnen:
Algerien ist das größte
Land Afrikas, dennoch ist es
kein übliches Ziel für deutsche Touristen.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Ein offensichtlicher
Grund ist
die Visapflicht. Ein Visa kostet etwa 250 Euro und um es zu bekommen
muss man einige Dokumente vorlegen:
Laut Wikipedia ist der
Demokratieindex von Algerien 3,66 von 10
wobei 0 ein autoritäres Regime und 10 eine
vollständige Demokratie ist.
Die Situation ist vergleichbar mit der ehemaligen DDR.
Nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich entwickelte
sich Algerien zu einer Volksrepublik mit der FLN als sozialistisch
ausgerichteter Staatspartei.
Die Öffnung gegenüber dem Ostblock sollte die
wirtschaftliche Abhängigkeit von Frankreich
überwinden. Nach dem Ende des Kalten Krieges versuchte man ab
Ende der 80er eine Demokratisierung.
Dafür wurde eine neue Verfassung geschaffen. Bei Wahlen
versuchte man jedoch die Islamistische
Bewegung auszuschalten, was in einem Bürgerkrieg
mündete.
Dem Militär gelang es die Unruhen zu unterdrücken und
es hat bis heute einen starken Einfluss auf die Politik.
In Europa wird
der Staat als ´Service´ für den
Bürger angesehen. Die Rechte der Bürger werden
respektiert und
sind einklagbar. Eine Angst vor der Obrigkeit gibt es daher in Europa
nicht mehr. In Algerien ist dagegen
der Respekt gegenüber der Obrigkeit hoch. Die Menschen wollen
keine Probleme und haben Angst vor Kontrollen durch Wichtigtuer mit
Blockwartmentalität.
Die algerische Identität wird stark vom
Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich bestimmt. Die Gesamtzahl
der in Algerien getöteten Muslime wurde von Frankreich mit
350.000, von algerischen Quellen mit bis zu 1,5 Millionen angegeben.
Bei einer damaligen Bevölkerung von 10 Mio. Menschen
wären dies 15% aller Algerier gewesen.
Seit 1962 ist die Bevölkerung auf etwa 45 Mio. angewachsen.
Nur eine Minderheit
hat den Krieg noch erlebt, doch der Unabhängigkeitskrieg
funktioniert bis heute als Symbol der nationalen Einheit.
Während Gaddafi im Nachbarland Libyen die Bevölkerung
spaltete um nach der Maxime ´Teile und Herrsche´
sein Position über Jahrzehnte zu stabilisieren, ging man
in Algerien einen anderen Weg und versuchte sich bewusst als
einheitlichen Nation zu definieren. Das zeigt auch das fast 100 Meter
hohe „Monument der Märtyrer“. Es
überragt Algier – und ist von nahezu jedem
Standpunkt in der Stadt aus zu sehen. Es wurde direkt nach der Ankunft
im Flughafen besichtigt.
Das 1982 erbaute Denkmal symbolisiert drei Palmwedel, die sich zu einer
ewigen Flamme vereinigen. Am Fuße jedes Palmwedels steht ein
Soldat. Jeder Soldat symbolisiert den Kampfstatus seiner Epoche mit
entsprechender Uniform und Waffe.
Nachts
wird das Monument in den Algerischen Farben
Grün-Weiß-Rot angestrahlt.
Die Nationalfarben sind allgegenwärtig. Alle
Straßenlaternen zeigen die Farben in Wechselspiel.
Überall sieht man Beleuchtungen in den Landesfarben.
Am Flughafen und in der Stadt waren riesige Flaggen zu sehen.
Teilweise geht der Kult der Nationalfarben ins Kuriose, wie bei diesen
Fleischspießen oder
den Farben von Waschraum-Armaturen.
Da
Ausländer recht selten sind, werden sie vorsichtig behandelt.
Peinliche oder gefährliche Situationen versucht man zu
vermeiden.
Die Behörden waren mir gegenüber korrekt und es gab
keine Schwierigkeiten.
Kuriosa gab es aber schon. Am Flughafen wurde mir mein 15x70 Fernglas
abgenommen mit
dem Hinweis das die Einfuhr in Algerien verboten ist. Ich bekam jedoch
eine Quittung überreicht
und bei der Ausreise konnte das Fernglas problemlos ausgelöst
werden.
Für die Sonnenfinsternis 2027 ist
Algerien unter diesen
Bedingungen leider nicht zu empfehlen.
Es könnte passieren das die Teleskope beschlagnahmt werden.
Neben ungewöhnlichen Einfuhrbestimmungen gibt es auch
ungewöhnliche Ausfuhrbestimmungen.
So ist die Mitnahme von Steinen verboten. Während wertvolle
Schmucksteine in Ketten und Ringen
offenbar kein Problem sind, darf man wertlose Souvenirs nicht
mitnehmen. Ich hatte in der Wüste ein paar
ungewöhnliche (aber wertlose) Steine eingesammelt. Um Probleme
zu vermeiden, landeten die vor
der Ausreise im Müll.
Beim Spaziergang durch Algier durfte man
ein Museum vor dem ein Soldat
seinen Wachposten hatte nicht fotografieren.
Die Zahlung mit Mastercard ist schwierig. In gleich 2 Hotels konnte ich
sie nicht nutzen und selbst in der Bank war man ratlos.
Eine VISA-Card macht weniger Probleme. Im Zweifel sollte man genug
Dinare bei sich haben. Per Kreditkarte ist der Wechselkurs schlecht.
Ggf. kann man privat günstiger tauschen.
Das algerische Geld hat in seinen Abbildungen kein einheitliches
Konzept, Tiere, Sehenswürdigkeiten und Politiker wechseln sich
ab.
Der größte Schein ist 2000 Dinar was etwa 10 Euro
entspricht. Da die Hotelpreise fast europäisches Niveau haben,
schleppt man als Barzahler viele Scheine mit sich herum.
Bei einer Amateur-Konferenz über Sternbedeckungen durfte ich
nicht teilnehmen, weil ich ein Touristenvisum hatte. Offenbar wurde
nicht erkannt, dass der entscheidende Unterschied zum Nicht-Touristen
eine bezahlte Beschäftigung ist. Ausländische
Hobby-Astronomen werden in Algerien natürlich nicht bezahlt.
Ein Tourist bringt Geld ins Land und ein Nicht-Tourist nimmt Geld mit.
Aus dem gleichen Grund wie die Konferenz wurde wohl auch eine
Besichtigung des Observatoriums von Algier verweigert. Das algerische
Forschungszentrum das sich mit Astronomie, Astrophysik und Geophysik
befasst
wurde 1985 gegründet und ging aus der Sternwarte Observatoire
astronomique de Bouzareah von 1890 und dem Institut de Physique du
Globe d’Alger von 1931 hervor. Die Sternwarte
verfügt über ein
Ritchey-Chrétien-Spiegelteleskop mit einem Durchmesser von
81 cm. Statt zum Observatorium ging es zu einer Seilbahn die den
Sternwartenhügel mit
der tiefer gelegenen Stadt verbindet.
Unweit der Seilbahnstation gab es einen schönen Blick auf die
nächtliche Stadt.
Algier wurde in die Bucht gebaut wie die Ränge eines riesigen
halbrunden Theaters.
Mit der Seilbahn machten wir eine kleine Rundreise ins Tal und
zurück.
Es war die letzte Seilbahn des Abends und der Blick fiel auf das
nächtliche Stadtpanorama.
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C/2023 A3 Tsuchinshan-ATLAS 21.10.2024